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Ablage
Stupide Zettelorgie, die immer dann veranstaltet
wird, wenn sich die ungeordneten Formulare schon
bis unters Dach stapeln. Deswegen wird auch
meistens der picklige Azubi zur Ablage verdonnert,
der dann alle fünf Minuten mit dem Blick eines
orientierungslosen Dackels antrottet, um zum
hundertsten Mal zu fragen, wo der Vorgang Huber &
Söhne hingehört.
Betriebsfest
Das einzige Chaos in der Firma, das sich nicht
spontan entwickelt, sondern von der
Betriebsleitung organisiert wird. Beginnt mit
artigem Zuprosten unter Wahrung der hierarchischen
Etikette, um sich mit wachsendem Alkoholpegel in
einen anarchistischen Wahn zu steigern, an dessen
Ende Azubi und Chef Arm in Arm auf dem Tisch von
Fräulein Schmittke das Lied von der Biene Maja
gröhlen. Das größte Problem am nächsten Morgen ist
jedoch nicht der Kater, sondern die bange Frage,
ob denn die ganzen neuen Duz-Freundschaften auch
jetzt noch Geltung haben.
Chauvi
Unausrottbare, in allen Büros der Welt
anzutreffende sexistische Spezies, deren Pfoten
sich öfter auf den Hinterteilen der Kolleginnen
befinden, als auf der Tastatur eines Computers. Zu
erkennen an der Porsche-Carrera-Brille made in
Hongkong und an der Absonderung von mindestens
fünf geschmacklosen Witzen täglich.
Delegieren
Führungsprinzip, das mit steigender Hierarchie
immer attraktiver wird. An der Spitze der Pyramide
befindet sich dann das Herzstück dieser genialen
Arbeitsweise: der Millionär in weißen Schühchen
auf seinem privaten Golfplatz. Alles eben nur eine
Frage der Perspektive.
Empfehlungsschreiben
Vermeintlich letzter Anker derjenigen Bewerber um
einen Arbeitsplatz, die sich selbst nicht
verkaufen können. Dass die Formulierungen eines
Empfehlungsschreibens nicht selten ganz spezielle
Bedeutungen haben, und manchen Interessenten in
Wahrheit zum schwachsinnigen Knallkopf stempeln,
raffen die »Empfohlenen« oft nicht. Solche Looser
rücken dann Jahr ein Jahr aus mit demselben Wisch
an, der vom ewigen Bewerben so labberig und
abgewetzt aussieht, wie Klopapier aus dem
Frühmittelalter.
Fotokopierer
Treffpunkt für Praktikanten. Azubis und andere
niedrige Bürohampelmänner und damit ein Ort von
karrierespezifischer Bedeutung: Wer nämlich
irgendwann nicht mehr selbst kopiert, sondern sich
dafür einen eigenen Sklaven hält, hat den ersten
Sprung auf der Karriereleiter nach oben getan.
Gleitzeit
Die Erlaubnis, bereits vor 8 Uhr kommen zu dürfen
und nach 17 Uhr erst allmählich aufzuhören.
Großraumbüro
Überdimensionierte Büro-Manege, in der alles wie
bei einem Zirkusfinale ohne System durch die
Gegend schwirrt und der Zuschauer nicht erkennt ob
es sich dabei um Arbeit oder bloß um deren
Inszenierung handelt. Anstatt dumpf und
unbeobachtet vor sich hin zu dösen, ergreift den
Sachbearbeiter im Großraumbüro eine entsetzlich
nervöse Betriebsamkeit, deren
Produktivitätssteigerung sich aber
bestenfalls in der Erhöhung des Herzinfarktrisikos
äußert.
Halbtagskraft
Giftig beneideter Kollege, der morgens schon mit
Badeklamotten anrauscht, Käffchen schlürfend den
Computer mal an- und ausschaltet und schließlich
nach vier Stunden das Freibad ansteuert, um dort
bei Bockwurst und Bier den Nachmittag zu
verbringen.
Intrigen
Klassischer Anlass für die in jedem Büro
unvermeidlichen Verwandlungen selbst der
friedliebendsten Sekretärin in Joan Collins hoch
Zehn, wenn es um ihr Prestige, ihr Verhältnis zum
Chef oder einfach nur um eine noch chicer
gekleidete neue Kollegin geht. Intrigen oder auf
Neudeutsch: »mobbing«, zapfen jeder Abteilung
Unmengen an Effizienz ab und werden von
Führungskräften mit Bemühungen um
Unternehmenskultur bekämpft, nicht ahnend, dass
sie es dabei mit dem wahrscheinlich ältesten
Kulturphänomen überhaupt zu tun haben.
Jubilar
Betagter Büro-Veteran, auf dessen vom Personalchef
gestiftete goldenen Uhr zur 30jährigen
Betriebszugehörigkeit nicht selten die
Wegrationalisierung seines Arbeitsplatzes folgt.
Kantine
Zentrale Futterstelle, zu der mittags die gemeinen
Büromäuse aus den kleinen Schachtelbüros genauso
angetippelt kommen, wie die erhabenen Leithammel
in ihren Boss-Anzügen. An der Kantinentheke stehen
sie dann einmütig in einer Schlange, denn vor dick
panierten Schnitzelstapeln und öligen
Kartoffelsalat- Bergen sind alle gleich.
Laune
Stimmungsmodalität des Büromenschen, deren über
die Woche betrachtete Ausprägung eine typisch
ansteigende Kurvenführung aufweist: Montags sitzt
die Laune so tief im Keller wie ein Wetterfrosch
zu Novemberanfang, mittwochs beginnt sie schon
leicht rosafarben zu glühen, und am Freitag löst
sie sich in einer kreischenden
Weltumarmungsstimmung auf, da der Himmel jedes
Schreibtischwesens erreicht ist: das Wochenende.
Mitarbeitermotivation
Liebstes Thema eines ganzen Universums an
wissenschaftlichen Führungstheorien, die schon
durch ihre bloße Masse die bedauernswerte
Führungskraft in heillose Verwirrung stürzen.
Jeden Monat kommt der Abteilungsleiter mit neuen
Motivationskniffen von sündhaft teuren Seminaren
zurück und versucht den Sachbearbeitern listig
einzureden, dass die Dateneingabe spannender ist,
als das ganze Leben von Indiana-Jones. Aber Frau
Kowalke von der Buchhaltung will das einfach nicht
kapieren.
Nettoeinkommen
Der elende Rest, der unten herausbröselt, nachdem
das so imposant tönende Bruttogehalt durch die
Räder der staatlichen Steuermühle gesickert ist.
Beschweren darf sich der kleine Büroknecht, der am
Monatsende immer entsetzter auf seinen
Gehaltsstreifen starrt, jedoch nicht; bekommt er
doch für die Abzüge die schönsten Autobahnen durch
sein geliebtes Ausflugsgebiet geknallt und kann
sich darüber freuen, dass ihm die Bundeswehr stets
mit den modernsten Krachmachern übers Dach
brettert. So was kostet eben Geld.
Organisationsplan
Betriebliche Mannschaftsaufstellung, die in
manchen Firmen so gut funktioniert, wie das
Positionsspiel von achtjährigen Fußballern bei
ihrem ersten Turnier: immer alle Mann mit viel
Gebrüll dahin, wo sich der Ball gerade befindet.
Personalchef
Firmen-Abgott, vor dem man schon während des
ersten Zusammentreffens (beim Bewerbungsgespräch)
Kreide frißt. Der kluge Büromensch pflegt auch
nach Einstellungserfolg dem Personalchef gegenüber
stets eine leicht hündische Haltung, die ihn nicht
kompromittiert. Büro-Kalauer über den Personalchef
erfordern daher soviel Mut (oder Irrsinn), wie mit
Megaphon unter die Leute gebrachte DDR-Witze auf
dem Berliner Alexanderplatz vor der Wende.
Quasselstrippe
Aufgeweckte Expertin für beeindruckende
Telefonkosten und bei rudelhaftem Auftreten der
Tod jeder Firma. Einziger geeigneter Arbeitsplatz
ist die Störstelle, da Quasselstrippen auch dann
noch den Hörer eines klingelnden Telefons verzückt
zu Ohr führen, wenn normal gesprächigen Naturen
der Wahnsinn bereits im Gesicht steht.
Rauchen
Muffige Angewohnheit, gegen die sich ein
Religionskrieg wie eine charmante Diskussion
ausnimmt. Das Rauchen teilt das Personal in zwei
lüsternde Kriegsheere, die sich mit gefletschten
Zähnen gegenüberstehen, jederzeit bereit, dem
anderen an die Kehle zu springen. Wehe dem, der
sich in einem Großraumbüro aus lauter
Nichtrauchern eine Zigarette zwischen die Lippen
pflanzt - er wird zerfetzt wie ein Stück Fleisch
im Piranha-Becken. Wer sich dagegen inmitten eines
Raucherzirkels den Qualm verbietet, dem wird er
erst recht, mit allem was die Lunge hergibt, ins
Gesicht geblasen, und bei der kleinsten
Unaufmerksamkeit schwimmen in seinem Kaffeebecher
die Kippen des ganzen Büros.
Seminar
Die einzige Chance des kleinen Bürowürstchens,
auch einmal wie seine umherjettenden, schnittigen
Vorgesetzten sein Kabuff auf Firmenkosten eine
Zeitlang zu verlassen. Nur führt er dann keine
großen Verhandlungen in London oder Paris, sondern
hockt irgendwo in der drögen Provinz, um dort die
neusten Buchhaltungstricks eingetrichtert zu
bekommen.
Teppichboden
Der Spiegel jedes Bürolebens, dessen
Fleckenstruktur sofort verrät, ob die
entsprechenden Damen und Herren wilde Orgien
feiern oder brav vor sich hin buckeln. Will man
wissen, wie es um die Disziplin einer Firma
wirklich bestellt ist, fragt man am besten die
Reinigungsfirma.
Unternehmensphilosophie
Fata Morgana von der idealen Arbeitsweise einer
Firma, die offensichtlich einem delirenden
Vorstandshirn entsprungen ist und mit dem profanen
Büroalltag so viel zu tun hat, wie die dort
gezahlten Gehälter mit dem Einkommen des
Managements.
Vorzimmerdame
Eleganter Wachhund vor dem Büro des Chefs, den man
erst einmal passieren muss will man in dieses
vordringen. Knochen gelten bei dieser Spezies
allerdings nicht gerade als geeignetes
Bestechungsmittel.
Weihnachtsgeld
Zusätzliche Gehaltszahlung, die so sicher ist wie
der 24. Dezember, und die man deswegen schon
getrost im Juni verpulvert.
Zeitunglesen
Katalysator fürs morgendliche Wachwerden von
schlaftrunkenen Angestellten quer durch alle
Hierarchien. Erst durch die ausgedehnte
Zeitungslektüre, die häppchenweise die täglichen
Katastrophen präsentiert, wird dem verpennten
Lohnempfänger klar, dass sich die zuckerige
Traumwelt der Nacht erledigt hat, und er sich
wieder in den Klauen der Realität befindet. Es sei
denn, auf dem Tisch liegt die Zeitung mit den
fingerdicken Überschriften und den Fotos draller
Mädels: In dem Fall hat die Wirklichkeit keine
Chance. |
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