Berichte
Mein Bericht vom Abiball

Ich habe direkt nach dem Abiball begonnen einen kleinen Bericht darüber zu schreiben. Vielleicht gefällt er euch...

Als David C. eines Morgens aus leichten Träumen erwachte, da fand er, wo er sich erwartet hätte. Die Brille und die Fernbedienung weit von sich gestreckt, lag er, eingehüllt in seinen schwarzkarierten Schlafanzug und eine Indira-Tagesdecke, auf der gemusterten Couch in seinem nicht all zu kleinen Zimmer, unweit des wärmenden Bettes, welches glatt und unberührt - wie es die letzte Nacht verweilt hatte - noch leise seinen Namen zu flüstern schien. Noch bevor die Erinnerungen des gestrigen Abends über ihn kamen verspürte er einen bitteren Geschmack auf seiner Zunge, stechend wie das Nikotin der anderen und kalt wie der Rauch der wilden Nacht, welcher noch immer von seinen Kleidern zu ihm hinüberdrang. Als er aufstand um sich zu erheben, an mehr dachte er in diesem Augenblicke nicht, da war ihm, als würden seine Beine unter der Last seiner selbst zusammenbrechen, obgleich seine Schultern ein gewaltiges Maß an Freiheit und Leichtigkeit durchzog, wie er es seit Jahren nicht mehr verspürt hatte. Seine Füße schmerzten ein wenig vom vielen Gehen, vom vielen Stehen in unbequemen Schuhen, sicher nicht vom Tanzen, denn getanzt hatte er nicht - vielleicht aus Scheu, vielleicht aus Scham, vielleicht - und dies schien ihm am wahrscheinlichsten - aus reinem Schweremut, denn so berauschend der Abend auf alle zu wirken geschienen hatte, so abscheulich bunt und farbenfroh die Erinnerungen an ihn auch sein mögen, war er doch durchzogen und durchwebt von einer traurigen und endgültigen Gewissheit, wie ein altes Bild von einem gelben Stich, der das jähe Ende einer wunderbaren, zumindest allgegenwärtigen Spanne prophezeite, welche in 13 Jahren zu einer akzeptablen Gewohntheit geworden war.

David C. hielt inne, einen kurzen Augenblick, bereit mit eilendem Schritt und hastigen Bewegungen den Schrank zu öffnen, den grünen Rucksack hervorzuholen und mit all jenen Dingen zu füllen die nötig waren oder gewesen wären, den Tag ohne größere Anstrengungen hinter sich zu bringen. Doch er besann sich der neuen Veränderungen und verweilte einen ratlosen Moment lang in mitten seiner nun so bitter kleinen Welt. Wieder kamen die Gedanken über ihn - wie eine Sturmflut brachen sie über ihn herein und erfüllten sein Herz mit nachhallender Freude und fernen Schmerzen, deren dunkle Schatten wie drohendes Gebrüll einer fürchterlichen Schlacht näher und näher zu kommen schienen. Er hatte sich amüsiert, auch wenn sich einige seiner Freunde von Zeit zu Zeit über seine vermeintliche Langeweile bei ihm erkundigt hatten und ihm auch die anderen Bekanntschaften, welche man im Anfall von Nettigkeit und aufgrund regelmäßiger Begegnungen und kurzzeitiger Wortwechsel als Freunde bezeichnete, aufmunternde Blicke, ein Lächeln oder etwas Ähnliches entgegenbrachten. Er hatte den Abend damit verbracht, das zu tun, was man in den letzten Jahren beinahe tagtäglich von ihm erwartet hatte. Er hatte studiert. Keine Formeln, keine Text, keine Daten - vielmehr all die anderen - ihre Arten, ihre Charaktere, ihre kleinsten Wesenszüge. Mit größten Anstrengungen hatte er versucht die Formen ihrer Körper und das Aussehen ihrer Gesichter in sein Hirn zu brennen, die Erinnerung an ihre Existenz auf ewig zu konservieren und niemals zu vergessen. Dennoch merkte er bereits in diesem Augenblick, da er ins seinem Zimmer stand, verwirrt und nicht wusste was zu tun, dass die Gesichter seines Geistes an Schärfe verloren, die Klänge ihrer Stimmen verstummten und die Formen ihrer selbst nur noch konturenhaft und doch von aller höchster Gute, den ganzen Menschen bildeten. Die Erinnerungen an den Abend selbst, an die Musik, das Licht, die Tanzenden - das alles war schon längst dem neuralen Untergang geweiht. Alles von geringem Wert, ohne Relevanz und größere Bedeutung war aus den Venen seines Geistes extrapoliert und komprimiert worden, alles Nebensächliche war vergangen und im Grunde für alle Zeit ohne jeglichen Belang, denn sollte er sich jemals an den gestrigen Abend zurückbesinnen (und er würde dies tun - viele, viele Male) so würde seine Phantasie ein Umfeld kreieren, welches halbwegs der Wahrheit entsprach und dessen hinreichende Bedingung, dessen notwendige Voraussetzung nur eines war, die reine und unverfälschte Erinnerung an jene die ihm wichtig waren - seine Freunde, seine Mitschüler, sein Jahrgang - nur dies war einzig und allein von höherer Bedeutung...

David Ciszewski

Zurück zur Liste
Einfallslosigkeit vorbei - Dank Snooc
Immerhin haben wir mal eine neue Umfrage.
Felix & Sebastian